Complaints of a Dutiful Daughter
Als meine Mutter mich zum ersten Mal fragte: „Sind wir eigentlich verwandt?", war ich wirklich erschüttert. Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Ich schämte mich, einfach zu sagen: „Ich bin deine Tochter." Ich hatte Angst, sie würde sich dann schrecklich darüber aufregen, daß sie das vergessen konnte. Also machte ich ein kleines Ratespiel und gab ihr ein paar Tips. Schließlich hatte ich so viele Tips gegeben, daß sie verstand und sagte: „Ach, du meinst, ich bin deine Mutter!" Und ich sagte: „Ja." Als ob das noch nicht genug war, sagte sie: „Das bedeutet also, daß du meine Tochter bist", und ich sagte: „Ja." Und sie sagte: „So habe ich das noch nie gesehen."
Deborah Hoffmann
COMPLAINTS OF A DUTIFUL DAUGHTER handelt von den Problemen, Frustrationen und Widersprüchlichkeiten einer Tochter, deren Mutter die Alzheimer-Krankheit hat. Der Film verfolgt zwei simultane Entwicklungen: die verschiedenen Stadien der immer verwirrter und desorientierter werdenden Mutter und die Versuche der Tochter, ihre Mutter zu verstehen und ihr zu helfen - oft erfolglos. Der Film dokumentiert die Suche nach einer neuen Beziehung zwischen Mutter und Tochter, die schließlich zu einer für beide befreienden Annahme der Situation führt.
COMPLAINTS OF A DUTIFUL DAUGHTER erkundet auf einfühlsame und humorvolle Weise Familienstrukturen, das Phänomen des Älterwerdens, die Bedeutung der Erinnerung und die Beharrlichkeit der Liebe.
Produktionsmitteilung
Porträt mit vielen Dimensionen
Während nur einige wenige sich erlauben, Geschichten zu erfinden, dokumentieren die übrigen gewöhnlich ihr Leben. Die unbefangensten Dokumente bewahren wir üblicherweise von unserer Familie auf. Diese Geschichten haben selten eine Form, die eine Veröffentlichung in größerem Rahmen nahelegen oder zulassen würde. Die zumeist aus Photos, Filmen und mündlichen Erzählungen zusammengesetzten privaten Familiengeschichten gibt man nur in der Verwandtschaft weiter.
Heutzutage befindet sich das gemeinsame Zentrum jedoch eher vor oder im Fernsehen als am Herd oder Tisch. Das Fernsehen überträgt nicht nur Bilder, sondern ist zu einem sozialen Raum geworden, wo man Gemeinsamkeit suchen und zuweilen finden kann. Zu oft aber trifft man hier nur platte Darstellungen der heterosexuellen, weißen, wohlhabenden Kleinfamilie an.
Mit überraschender Frische, mit Humor und Nähe hat Deborah Hoffmann ein vieldimensionales Porträt einer ganz anderen Familie geschaffen - ihrer eigenen. COMPLAINTS OF A DUTIFUL DAUGHTER ist die Geschichte der Hoffmannschen Familie, vor allem aber ihrer Beziehung zu ihrer Mutter, die an der Alzheimer-Krankheit leidet. Auf stille, doch elementare Weise beschreibt der Film auch Hoffmanns Beziehung zu ihrer Freundin, der Filmemacherin Frances Reid, die hinter der Kamera steht und wenig im Film selbst zu sehen ist.
COMPLAINTS OF A DUTIFUL DAUGHTER ist zum Teil eine intime Collage aus alten Photos, Filmen und Erinnerungsstücken, gelegentlichen Sequenzen auf Betacam und einer 16mm-Aufnahme. Die traditionellen Familienmedien werden mit den relativ jungen technischen Errungenschaften auf dem Gebiet des 'home recording' kombiniert: einer Hi-8-Kamera und einem Anrufbeantworter. Hoffmann benutzt diese populären und leicht zu bedienenden Geräte wie ein wirksames und doch unaufdringliches Paar Augen und Ohren, die dem Betrachter den Zugang zum familiären Beziehungsgewebe ermöglichen. In ihrem Film thematisiert die Regisseurin die unausgesprochenen Beziehungen zwischen Frauen. Vom nahen Standpunkt der unbeweglichen Kamera aus können wir das Entstehen einer neuen Beziehung zwischen Mutter und Tochter verfolgen. Was passiert, wenn mit dem Älterwerden die Kinder zu Eltern und die Eltern zu Kindern werden? Wie können eine alternde Mutter und eine erwachsene Tochter eine Freundschaft aufbauen, wenn es keine Eltern-Kind-Beziehung mehr gibt? Wie findet eine Tochter Zugang zu ihrer Mutter, wenn diese sich nicht mehr an ihre Beziehung oder an das gemeinsam verbrachte Leben erinnert? Wie kann man sich weiterhin verständigen und lieben, wenn vorher feststehende Identitäten sich allmählich auflösen?
Hoffmanns sensible Beschreibung der Mutter-Tochter-Beziehung gibt einen Einblick in das System von Erinnerung, Bedeutung und Identität innerhalb ihres Familienzusammenhangs.
G. King Bond, in: Video Networks, New York, Juni/Juli 1994
Ein Leben ohne Vergangenheit
In dem filmischen Brief COMPLAINTS OF A DUTIFUL DAUGHTER behandelt Hoffmann die Kamera wie eine Vertraute. Sie berichtet, wie die Krankheit ihrer Mutter Doris mit einfachen Vergeßlichkeiten begann, sich immer weiter ausbreitete, bis Doris schließlich vergaß, daß Deborah ihre Tochter ist. In Familienfilmen und Schnappschüssen läßt Hoffmann die junge Doris auftreten und kombiniert diese Bilder mit aktuellen Videoaufnahmen und einer Reihe von Botschaften ihrer sehr verwirrten Mutter auf dem Anrufbeantworter.
Hoffmanns Homosexualität wird erst spät im Film erwähnt: sie beschreibt die Einstellung ihrer Mutter ihrer lesbischen Tochter gegenüber, bevor die Krankheit ausbrach. Doris hatte sich damit nie richtig angefreundet, „doch als sie krank wurde", erzählt Hoffmann, „ging es um das Wesentliche: ich hatte eine Freundin, Frances. Dieser Mensch war sehr nett zu mir und machte mich glücklich. Sie war auch sehr nett zu meiner Mutter. Das war also etwas Gutes."
Die Regisseurin findet trotz der quälenden Lage ihrer Mutter auch humorvolle Momente, ohne respektlos zu erscheinen. Obwohl deren Zustand sich verschlechtert, erkennt Hoffmann das Schätzenswerte am Leben ihrer Mutter, das sich so vollkommen verändert hat.
Edward Guthmann, in: San Francisco Chronicle, 11. 6.1994
Details
-
Länge
44 min -
Land
USA -
Vorführungsjahr
1995 -
Herstellungsjahr
1994 -
Regie
Deborah Hoffmann -
Mitwirkende
Doris Hoffmann -
Produktionsfirma
Deborah Hoffmann -
Berlinale Sektion
Forum -
Berlinale Kategorie
Dokumentarfilm -
Teddy Award Gewinner
Best Documentary/ Essay Film
Filmografie Deborah Hoffmann
2000 Long Night's Journey Into Day