La bocca del lupo
Enzo kommt nach 14 Jahren Knast zurück nach Genua. Er durchquert die Stadt, doch die hat sich im Laufe der vielen Jahre verändert. In einem kleinen Haus im Altstadt-Ghetto wartet Mary auf ihn, seine Lebensgefährtin, mit der er Tag für Tag Briefe und gesprochene Nachrichten ausgetauscht hat. Dieses poetische Porträt eines Kriminellen und seiner transsexuellen Partnerin ist gleichzeitig ein Porträt der Stadt Genua, insbesondere ihrer stark von Migranten geprägten Orte.
Wenn wir nie müde werden, Liebesgeschichten im Kino zu sehen, so hat das mit einem unergründlichen Geheimnis zu tun, nämlich wie Zeiten und Orte die Drehbücher mitschreiben. Die Liebesgeschichte zwischen der Transsexuellen Mary und Enzo, einem Sizilianer mit Schnauzbart und einem Herz aus Gold, begann einst im Gefängnis und nimmt ihren Lauf in der fast schon untergegangen Welt von Genuas Hafenviertel. Hier verortet Pietro Marcello eine Parallelhandlung, die ebenso fiktiv wie wahrheitsgetreu Marys und Enzos Lebensweg dokumentiert und rekonstruiert. Mit Szenen von heute und Bildern von damals, die Marcello in privaten und öffentlichen Schatztruhen gefunden hat, entdeckt LA BOCA DEL LUPO eine Stadt, die melancholisch und verwegen ist, in der die Frauen an den Bars fast so tiefe Stimmen haben wie die Männer, mit denen sie trinken, wo seit jeher an den unwirklich vergessenen Orten des Hafens die Gestrandeten hängen geblieben sind. Das Hafenviertel von Genua scheint die Liebesgeschichte zwischen Mary und Enzo erfunden zu haben. Pietro Marcello hat sie als Drehbuch für einen Dokumentarfilm nachinszeniert, der mit eigenwilliger Musik, Erinnerungen und Archivmaterial eine gerade noch sichtbare Vergangenheit aufleben lässt.
Genua früher und heute
Ursprünglich stammt die Idee zu diesem Film von der San Marcellino Stiftung, den Jesuiten in Genua, die seit Jahren obdachlose, sozial benachteiligte und notleidende Menschen unterstützen. Dabei ging es weniger darum, die Arbeit der Stiftung zu zeigen, als die Welt, in der sie stattfindet.
Vor diesem Film kannte ich Genua nicht besonders gut. Die einzigen Erinnerungen, die ich hatte, gehen auf Geschichten zurück, die mein Vater mir erzählt hatte. Er war Seemann, und seine Schiffe stachen immer von dort aus in See. Für meinen Vater war Genua die ideale Stadt schlechthin, und
er erzählte oft, wie schön es dort war: von den Kuttelmärkten, die es heute nicht mehr gibt, vom Himmel über Genua, dieser nördlich gelegenen Stadt, deren Blick aber gewissermaßen nach Süden gerichtet ist.
Ich habe ein anderes Genua kennengelernt und in einem Viertel in der Nähe des Hafens gewohnt, wo – wie in den meisten norditalienischen Städten – die sozialen Unterschiede in der Bevölkerung besonders groß sind und die Vergangenheit so präsent ist wie das Kopfsteinpflaster von Sottoripa.
Ich habe mit diesem Film versucht, über die Gegenwart zu sprechen, über die Hinterlassenschaften einer verlorenen Welt; die Nostalgie des 20. Jahrhunderts wird durch Archivaufnahmen und Amateurfilme vermittelt, die von älteren Genuesern stammen.
Mein Blick auf die Gegenwart ist der eines Fremden, der aus dem Fenster blickt und beschreibt, was er sieht. Den Blick auf die Vergangenheit und die Geschichte repräsentieren die Genuesen, die in diesem Film sprechen, ohne zu reden.
Pietro Marcello
Details
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Länge
75 min -
Land
Italien -
Vorführungsjahr
2010 -
Herstellungsjahr
2009 -
Regie
Pietro Marcello -
Mitwirkende
Enzo Motta, Mary Monaco, Franco Leo, Stefano Carappa, Anna Massa -
Produktionsfirma
Indigo Film; L’Avventurosa Film -
Berlinale Sektion
Forum -
Berlinale Kategorie
Dokumentarfilm -
Teddy Award Gewinner
Best Documentary/ Essay Film
Biografie Pietro Marcello
Pietro Marcello wurde am 2. Juli 1976 in Caserta, Italien, geboren. Er studierte an der Accademia di Belle Arti in Neapel.
Filmografie Pietro Marcello
2011 Il silenzio di Pelesjan (Documentary) | 2013 Venice 70: Future Reloaded (Documentary) | 2014 9x10 novanta (Documentary) (segment "L'umile Italia") | 2015 Bella e perduta - Eine Reise durch Italien | 2019 Martin Eden